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TRANSITIVITÄT nach Givón Transitividad según Givón (comp.) Justo Fernández López Diccionario de lingüística español y alemán
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Die semantischen Grunddimensionen transitiver Sätze nach Givón:
„Die zehn Parameter Hopper/Thompson führt Givón auf drei semantische Grunddimensionen transitiver Sätze zurück:
Agent. |
The prototypical transitive clause involves a volitional, controlling, actively-iniciating agent who is responsible for the event, thus its salient cause. |
Patient. |
The prototypical transitive clause involves a non-volitional, inactive, non-controlling patient who registers the event’s changes-of-state, thus its salient effect. |
Verbal modality. |
The verb of the prototypical transitive clause codes an event that is perfective (non-durative), sequential (non-perfect) and realis (non-hypothetical). The prototype transitive event is thus fast-paced, completed, real, and perceptually-cognitively salient (Givón 1995, 76; Givón 1990, 565). |
Diese Konstellation prototypischer Transitivität (effektiver Prozess, minimal agentivisches Patiens, maximal agentivisches Agens) ist nach Givón zugleich das semantische Fundament (‘semantic underpinnings’) für das unmarkierte Genus verbi (‘active-direct voice’). Die diathetischen Strukturen modifizieren nun in unterschiedlichem Maß diese semantische Grundkonstellation, sie sind in unterschiedlichem Maß detransitivierend. Besonders stark schätz Givón den semantisch detransitivierenden Effekt von reflexiven, reziproken, medialen und adjektivisch-resultativen Konstruktionen ein. Diese Konstruktionen bleiben daher in seiner pragmatisch fundierten Systematik der ‘voices’ außer Betracht. Konstruktionen wie etwa das Passiv sind dagegen semantisch nur geringfügig detransitivierend, sie modifizieren vor allem die pragmatischen Funktionen und können aufgrund ihres pragmatischen Effekts klassifiziert werden. Kriterium für die pragmatisch basierte Unterscheidung von ‘transitive’ und ‘main de-detransitive voices’ ist die relative Topikalität von Agens und Patiens (Givón 1995, 55).
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Die Annahme von drei detransitivierenden Diatheseformen ist gestützt auf die Tatsache, dass es Sprachen gibt, die für alle drei Funktionstypen über morphologische Kennzeichnungen verfügen. Topikalität ist eine ausschließlich textbezogene Größe, die über zwei Parameter definiert wird: über die anaphoric accessibility, auch continuity, erfaßbar als referential distance (RD), andererseits über die cataphoric persistence, auch recurrency oder topic persistence (TP). Der RD-Wert 1 (= letzte Erwähnung des Referenten im ersten voraufgehenden Satz) sowie der TP-Werte über 2 (= mehr als zwei Erwähnungen des Referenten in den zehn nachfolgenden Sätzen) sind Indizien hoher Topikalität.
Die drei Diathesen Passiv, Invers und Antipassiv bilden zusammen mit dem Aktiv die vier typologisch relevanten Grundformen der Vox. Im Aktiv ist das Agens topikalisischer als das Patiens, das Patiens hat aber gewisse Topikalität. Dagegen ist das Patiens im Passiv nicht nur topikalischer als das Agens, sondern das Agens ist weitgehend enttopikalisiert: es ist dazu prädestiniert, unausgedrückt zu bleiben. Daraus folgt, daß den pragmatischen Funktionen nach nicht das Passiv das Spiegeldbild des Aktivs ist, sonder das Invers.
Das morphologische Passiv der romanischen Sprachen etwa ist eine Diatheseform mit zwei pragmatischen Funktionen, ausgespannt zwischen passive (massive Detopikalisierung mit Tendenz zur Rezessivität) und inverse (relative Topikalisierung, Austausch der Topicfunktion zwischen Agens und Patiens). Dieser Zusammenhang ist aber provisorisch beschrieben worden als der Gegensatz von Rezessivdiathese und ‘Spiegeldiathese’. Eine Revision des traditionellen Passivbegriffs deutet Givón aber lediglich an:
One may perhaps suggest that agent-preserving passive clauses in English are functionally inverse clauses. (Givón 1995, 105).
Das ausgedrückte Agens in ‘agent-preserving clauses’ hat unausweichlich höhere Topikalität als das unausgedrückte Agens in ‘agent-suppressing clauses’. Es macht auch wenig Sinn, für die beiden diathetischen Funktionen isomorphe Ausdrucksverfahren zu fordern. Die romanischen Sprachen verfügen ohnehin über keine echte Passivmorphologie: spanisches ser + Partizip, estar + Partizip sind gleichzeitig Kopulakonstruktionen.
Die romanischen Sprachen verfügen mit dem se-Passiv allerdings über ein weiteres detransitivierendes Ausdrucksverfahren. Hidalgo (1994) postuliert, dass sich im Spanischen die Opposition von se‑Passiv und ser‑Passiv funktional auf die zwei pragmatisch detransitivierende Prototypen hin entwickelt, auf passive und inverse. Die Autorin ermittelt in ihrem Korpus für das se-Passiv eine Frequenz der Agensreduktion von 100% und für das ser-Passiv eine Frequenz der Agenskodierung von 56,2%. Die Topikalitätswerte der kodierten Agentes setzen sich zusammen aus niedriger anaphorischer Kontinuität (RD >> 1) bei hohem Rekurrenzwert (TP > 2): das am ser-Passiv kodierte Agens übernimmt im Diskurs die Funktion eines New-Topic.
Die präsentierte Zahlen müssen in Relation zur gewählten Textbasis ‘journalistische Prosa’ gesetzt werden. Die journalistische Prosa kann aber als eine progressive Standardvarietät (mit gewisser ‘trendsetting’-Funktion) gelten. Außerdem wird die von Hidalgo postulierte Entwicklungstendenz (se-Passiv > passive, ser-Passiv > inverse) durch frühere Untersuchungen indirekt bestätigt:
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Im Sinne der funktionalen Unterscheidung von passive und inverse bedeutet die Tatsache, dass der Agensausdruck am se-Passiv blockiert ist, gerade nicht, dass das Reflexivpassiv ein schlechtes Passiv wäre. Das se-Passiv ist genau aus diesem Grund ein ausgezeichnetes passive – nur kein inverse.“
[Schmidt-Riese, R.: Reflexive Oberflächen im Spanischen. ‘Se’ in standardfernen Texten des 16. Jahrhunderts. Tübingen: G. Narr, 1998, S. 15-20]
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